Cargo Kult: Die John Frum-Bewegung, ab 1940

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Ort der Handlung: Tanna
Führer der Bewegung: Manehevi, Neloiag, Iokaeye und viele andere
Charakter der Bewegung: Gütererwartung und Revivalismus

Das eigenartige an diesem Kult ist, daß er sich um die zentrale Figur des John Frum (Kult Nr. 173) gedreht hat, den es aber nie gab. John Frum ist ein Mythos, der sich lediglich in einzelnen Kultisten zeitweise manifestierte. Schon 1940 kam es zu einem stillschweigenden Rückzug der Christen aus ihren Gemeinden. Das puritanische Lebensgefühl wurde als langweilig empfunden.

In der alten Zeit glaubte man an den Gott Karaperamun. Von ihm kam alles Leben. Von ihm erwartete man sich auch jetzt wieder neuen Auftrieb. Die alten Tänze wurden wieder praktiziert. Das von der Mission verbotene Kava Trinken wurde jeden Samstag nachts in geheimen Zeremonien durchgeführt. Durch John Frum, einem übernatürlichen Wesen, in dem sich der Gott Karaperamun offenbarte, sollte die neue Heilszeit heraufgeführt werden. Woher die Vorstellung dieses John Frum kam ist nicht sicher. Vielleicht steht da hinter die Vorstellung von Johannes dem Täufer. Man hat es dabei offensichtlich mit einer Parallele zu den Konors der Mansren-Bewegungen in West Irian zu tun. Bei Green Point war eines Nachts ein Mann im Feuerschein eines Kava-Gelages aufgetreten und hatte sich als Manifestation dieses John Frum ausgegeben. Er erschien als Geistwesen mit gebleichten Haaren, trug ein Gewand mit glitzernden Knöpfen und hatte eine hohe und schrille Stimme. Alle Beteiligten jener Szene wurde später die Boten Frums genannt. Es war übrigens das einzige mal, daß John Frum sich damals vor einer Zuschauermenge sehen ließ

Später wurden seine Botschaften immer nur durch Mittelsmänner und auf unkontrollierbare Weise bekannt. Nach einiger Zeit wurde ein gewisser Manehevi als der Akteur jener ersten Erscheinung an den Regierungsvertreter ausgeliefert. Dieser glaubte damit, John Frum unschädlich gemacht zu haben. In Wirklichkeit hatte der Kult durch die Verhaftung Manehevis überhaupt nichts eingebüßt. Der Mythos selbst blieb unangreifbar. Die Botschaft des John Frum besagte etwa dieses: Nach einer Naturkatastrophe wird sich Tanna mit den Nachbarinseln zu einem mächtigen Groß reich vereinigen. Die vulkanischen Hügel werden einfallen und die Täler be decken. Das Land wird flach und fruchtbar sein. Die Menschen sollen ihre Jugend behalten und durch keinerlei Krankheit beeinträchtigt werden. Harte Arbeit wird es nicht mehr geben. Alles, was das Herz begehrt, wird John Frum, der dann sichtbar in Erscheinung treten wird, den Seinen zuwenden. Die Weißen werden verschwinden und Freiheit wird einkehren.

Frum wird dann ein neues Geld bringen und allen austeilen, soviel sie brauchen. Voraussetzung sei allerdings, daß man die alten Sitten des Kava-Trinkens und Tanzens wie der aufnähme und die Weißen vertreibe. Da die Ankunft Frums für einen Freitag vorhergesagt war, galt der Freitag ab jetzt als Feiertag. Die Flugzeuge, die man ab 1941 wegen des Krieges häufig sah, hielt man für die ersten Manöver der Cargovermittlung. Eine zunehmende sexuelle Freiheit begleitete diese Phase. Im Hintergrund agierte der alte Häuptling Sam Nako. Auf ihn geht auch die Anweisung zurück, alle Kirchen abzureißen. Der Regierungsbeamte kam dem aber zuvor indem er eine Anzahl führender Männer einsperren ließ.

Unter den 20 Gefangenen war auch Joe Nalpin, ein ehemaliger Polizist, der sich während der neunmonatigen Haft in Kila selbst als John Frum ausgab und einen interessanten Brief nach Hause schickte. Er träumte von der Hilfe des »Königs von Amerika«. Er schrieb an den alten Nako, daß Frum seinen Sohn nacch Amerika schiffen werde, um diesen König zu holen. Da in diesen Tagen viel von Rusefel (Roosevelt) gesprochen wurde, ist anzunehmen, daß Frum offenbar Kontakt zu dem allgewaltigen Herrscher der reichen amerikanischen Kriegshelden auf nehmen wollte. Zur selben Zeit kam es unter der Jugend zu gesonderten Versammlungen. Im Januar 1942 hörte man plötzlich, daß John Frum drei Söhne habe: Isaak, Jakob und Lastuan (last one = der Letzte, Jüngste). Auf einen dieser Söhne hatte sich ja Nalpin schon bezogen. Diese drei Söhne waren mit unsichtbaren Flugzeugen aus Amerika gekommen und auf Tanna gelandet. Dort zeigten sie sich einer Gruppe von Jugendlichen. Sie gaben einem 12jährigen Mädchen in geheimnisvoller Sprache Anweisungen, die die übrigen nicht verstehen konnten. Das Mädchen konnte jedoch übersetzen. Daraufhin weihten sich sämtliche Burschen und Mädchen den neuen Göttern, hörten auf zu arbeiten und zogen in ein gemeinsames Haus. Tagsüber ging man zum Baden. Nachts wurde getanzt. Der Montag galt ihnen als Ruhetag.

Im Oktober 1943 wurden die Verwaltungsstellen durch die Existenz bewaff neter Partisanen erschreckt. Ein Mann mit Namen Neloiag hatte sich als John Frum und gleichzeitig als König von Amerika und Tanna ausgerufen. Er war umgeben von einer eigenen Polizeimacht, durch die er die Leute antrieb, für ihn zu arbeiten. Sein Plan war es, einen Flugplatz anzulegen. Auf ihm soll ten die amerikanischen Befreiungstruppen landen können, die sein Vater dem nächst senden werde. Wer die Arbeit verweigerte, dem wurde angedroht, daß die Flieger ihn mit Bomben vernichten würden.

Wieder griff die Obrigkeit ein: 46 Mann wurden in Gewahrsam genommen. Neloiag bekam zwei Jahre Haft. Seine Frau wurde in der Zwischenzeit auf Tanna weiterhin als Königin verehrt, bis sie eines Tages einem Liebhaber nach Vila folgte wo man sie eben falls festnahm. Die Bewegung war damit aber noch lange nicht zu Ende. Mehrere Neuauflagen folgten. Nach den neuesten Mitteilungen scheint die Bewegung in Wildwucherungen ausgeartet zu sein. Immer wieder geben Leute vor, von John Frum eine Offen barung erhalten zu haben. Dabei fällt auf, wie unüberwindlidl eine einmal vorgeprägte Logik sein kann. Man sagt, die Weißen würden nichts von der Wirklichkeit und dem Segen John Frums mitbekommen, weil sie ungläubig seien und nur die Gläubigen das Heil erlangen könnten. Es zeigt sich außer dem, wie stark Mißverständnisse das Denken formen können.

Man sah z. B. in amerikanischen Illustrierten den Weihnachtsmann in einem dunkelroten Mantel abgebildet und machte nun die Weißen dafür verantwortlich, daß es auf Tanna diesen Gabenspender nicht gab. Aber auch christliche Verheißungen werden oft in unreflektierter Weise übernommen. Ein Kultist hatte die Biblische Geschichte von der ehernen Schlange gehört. Er fertigte sich darauf hin ein rotes Kreuz an und sagte: »Wer auf dieses Kreuz schaut und glaubt, der soll nicht verlorengehen, sondern rein sein. Ich will ihm Cargo senden. Kühlschränke und Taschenmesser, Nähmaschinen und Moskitonetze und alles was er begehrt!«

Die Tannesen sind davon überzeugt, daß viele Weiße auch an John Frum glauben, es aber nicht zugeben. Als ein Händler seine Artikel aus Werbezwecken umbenannte in: John Frum Seife, John Frum Stiefel, John Frum Kaugummi etc., da war er im Nu ausverkauft; aber die Meinung, daß etwas »dran sein« müsse hatte sich nur nodl verstärkt. Mit rationalen Argumenten allein kann man wenig ausrichten. In einem Gespräch sagte ein Kultanhänger: »Ein weißer Journalist hat mich darauf hin gewiesen, daß ich nun schon 20 Jahre auf die Ankunft meines Cargo warte und es sei immer noch nicht in Sicht. Ich fragte ihn, wie lange er schon auf die Wiederkunft Jesu Christi gewartet habe. Er sagte, das sei ungefähr 2000 Jahre. Daraufhin entgegnete ich, daß ich wohl gerüstet sei, weitere 20 Jahre auf John zu warten. Ich fragte ihn, ob er aber ebenso in der Lage sei weitere 2000 Jahre zu warten? Er sagte, da würde er nicht mehr leben. Somit ist klar: Ich habe eine viel größere Chance, meinen Gott zu sehen, als er!« Die John Frum Bewegung, ist nach allem, was wir von ihr wissen, ein Kult, bei dem man, wie bei einem Eisberg, immer nur einzelne Teile zu Gesicht bekommt. Er spielt sich in einem allgemeinen Erwartungsrahmen ab, aus dessen mythischen Mittelpunkt sich stets neue Aktionen in evolutionärer Weise ergeben können.

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